Erziehung mit positiver Verstärkung – Grenzen?

  • In meiner Jugend war ich grosser Fan von Cesar Millan. Als dann Milly einzog, war schnell klar, dass das nicht der Weg für uns ist. Ich habe von Anfang an viel über Belohnung gearbeitet, bei uns gabs aber sehr wohl auch immer wieder negative Bestrafung, vor allem durch ignorieren. Das leidige Katzenthema haben wir damals mit positiver Strafe behandelt, sowas würde ich persönlich nur noch im äussersten Notfall machen und das wars definitiv nicht. Manchmal wird sie auch heute noch ignoriert, aber immer weniger. Ich arbeite sehr viel mit aufbauen von Alternativverhalten. Bei uns passiert sehr viel über positive Verstärkung, aber (noch) nicht alles. Denke ein Teil davon ist Gewöhnung, ein bisschen Faulheit und fehlende Impulskontrolle meinerseits.:zwinker: Zum Beispiel, wenn ich Zuhause konzentriert am arbeiten bin und sie am Fenster eine Katze sieht, sie verbellt und nicht auf das Kommando «Decke» reagiert. Dann erwische ich mich oft dabei, dass ich lauter werde und sie auch mal energisch holen gehe. Worauf sie sofort beschwichtigt und ich dann denke, das wäre echt nicht nötig gewesen. Gelernt hat sie dadurch nämlich nichts.

    Was ich bis jetzt mitbekommen habe, erzieht hier niemand nur mit positiver Verstärkung. Mich interessiert an welchem Punkt oder bei welchen Themen ihr findet mit positiver Verstärkung kommt man nicht mehr weiter? Wo sind für euch die Grenzen von positiver Belohnung?

  • Les hier gerne mit, auch wenn ich definitiv nicht nur mit positiver Verstärkung arbeite, ich nutze das eher im sportlichen Bereich. Ich hab es lange versucht (Findungsphase und so :peinlich:) aber für meine Hunde und mich passt das nicht. Wir haben damit keine der Alltags Problematiken wirklich in den Griff bekommen. Hier gehören gut getimte klare Korrekturen dazu und seitdem läufts auch wieder im Alltag.

    Grüsse Nathalie mit

    Tarek, Tervueren, 12.11.2014

    Unique, Malinois, 18.05.2018

    Amaruq, Malinois, 15. 05. 2021
    Und Whyona im Herzen 20.06.2002 - 03.04.2017

    • Offizieller Beitrag

    Mich interessiert an welchem Punkt oder bei welchen Themen ihr findet mit positiver Verstärkung kommt man nicht mehr weiter? Wo sind für euch die Grenzen von positiver Belohnung?

    Ich komme mit positiver Verstärkung nicht mehr weiter, wenn mir die Idee dazu fehlt wie mit der Situation umzugehen und ich aus überforderung, unwissenheit, unzufriedenheit oder ähnlichem anders reagiere. Vieles was ich nicht positiv aufbaue, fehlt mir der eigene Ansporn weil es mich zum Beispiel zu stark frustet. Bin mir sicher, Zeldas alles zusammen fressen hätte man mit der "drop it" Methode viel mehr ausbauen können und auch umlenken können. Ich hatte aber nur den Anreiz dazu soweit zu üben bis ich erste Erfolge hatte und ging danach zu wenig ins Detail. Fazit, Zelda spuckt vieles aus, wenn es ihr beliebt aber nicht wenn der Reiz zu gross ist. Das heisst, nicht die Methode hat Fehler sondern meine Umsetzung und das dran bleiben.

    Negative reize zeigen da, kurzfristig, leider häufig schnellere Erfolge, also sie anschnauzen sie soll das gefälligst Aus geben ist effektiv aber half nun auch nicht wirklich gegen ihre zusammenfresserei.

    Meine Hunde kennen einen negativ Marker den ich aber eher mit negativer Strafe markere (zieht an der Leine, ich bleib stehen und lass ihn nicht zur Schnüffelstelle..) und viel weniger mit positiver Strafe. Dazu erfolgt so gut wie immer ein positiv Marker bei richtigem Verhalten.

    Kurz gefasst, die Grenzen liegen bei mir, sowohl in der Kompetenz als auch in der Menschlichkeit.

    Und da habe ich für mich den Weg von "möglichst nett aber auch immer Authentisch" gewählt. Bin ich sauer, müde und gefrustet, überspiele ich dies nicht und handle durchaus mal nach Bauchgefühl. Gehe ich gezielt an ein Training, kommt für mich nur positiv in Frage.

  • Kurz gefasst, die Grenzen liegen bei mir, sowohl in der Kompetenz als auch in der Menschlichkeit.

    ...
    Gehe ich gezielt an ein Training, kommt für mich nur positiv in Frage.

    Das kann ich so 100% unterschreiben.

    Gewalt beginnt da, wo Wissen endet. Das dürfte auf ca. 99% der Hundehalter zutreffen.

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    • Offizieller Beitrag

    Meinst du, was nicht positiv gearbeitet ist?

    Oder wirklich die definition von Gewalt?

    Nicht positiv gearbeitet ist für mich durchaus auch Leinenrucken aber das ist für mich keine Gewalt, je nach Intension und Kraftverhältnis. Aber es ist auch nicht positiv trainiert. Genau so ein mit druck aufgebautes, körperlich einschränkendes Aus ist keine Gewalt, bei weitem nicht, aber auch weit entfernt von positivem Training. Die Grenze ist ja nicht schwarz oder weiss.. selten jemand ist jemand nur Nett und sehr sehr wenige nur böse. Die Frage ist was ist mit positiv möglich und da sage ich einfach, sofern man Menschlich sich wissen und können aneignet - alles. Genau so, wie man mit Strafe auch alles hinkriegen würde. Das heisst aber nicht, dass es zwingend Gewalt bedarf.

  • Danke Magi für deine Antwort:super:

    Ist ein scharfes Nein auch schon Gewalt in der positiven Arbeit? Wenn ja, was sagt man dann oder ist es so, dass man in der positiven Arbeit, denn Hund gar nie in eine Situation bringt wo man ein Nein sagen müsste? Also bevor die Nein Situation kommt, den Hund schon umlenkt? Verstehe ich das richtig?

    • Offizieller Beitrag

    Ist ein scharfes Nein auch schon Gewalt in der positiven Arbeit?

    Im Bezug auf reine Arbeit mit Belohnung - ja.

    Positive Arbeit, das gibt es nicht. Positiv bedeutet in der Lerntheorie das man etwas hinzufügt. Das kann aber sowohl etwas schönes als auch etwas negatives sein. Das nennt man dann positive Verstärkung/Belohnung und positive Strafe.

    (Gegenteil ist dann negative Belohnung oder Bestrafung - d.h. man nimmt etwas weg um den Hund zu strafen oder man nimmt etwas weg, um eine Belohnung herbei zu führen (z.B. bei einem ängstlichen Hund den Angstreiz).


    Positive Strafe - dazu gehört ein scharfes Nein, ein Aufstampfen oder ein Schreckreiz setzen, ist zumind für mich nicht direkt gleichzusetzen mit Gewalt.

    Das wäre doch etwas hart von der Defintion.

    Aber ja, positive Strafe kann in Form von Gewalt ausgeübt werden.

    Wenn ja, was sagt man dann oder ist es so, dass man in der positiven Arbeit, denn Hund gar nie in eine Situation bringt wo man ein Nein sagen müsste? Also bevor die Nein Situation kommt, den Hund schon umlenkt?

    Im Aufbau ja vielleicht, aber das eigentliche Ziel ist es das der Hund Alternativverhalten Lohnenswerter findet als das vermeidlich Tat die von uns Menschen verhindert werden will.

    Z.B. Zeug auffressen was rumliegt, könnte man mit Anzeigeverhalten lösen (als Bsp.).

    Im Grunde, alles was der Hund positiv verinnerlicht hat, da brauch ich am Ende gar kein Nein mehr.

    Klar kann ich das auch durch ein Nein erreichen, zumind wenn das Nein so nachhaltig war, dass der Hund das Verhalten nie wieder zeigt.

    Weiss nicht, wie das bei anderen und ihren Hunden so ist, aber ich weiss nicht, ob ein Nein jemals so nachhaltig hier war (und das ist eigentlich sauber aufgebaut mit Trainer).

    Kurz gefasst, die Grenzen liegen bei mir, sowohl in der Kompetenz als auch in der Menschlichkeit.

    Da möchte ich ein dicken "Like" setzen.

    Ich weiss aber über andere wie viel Möglich ist, auch gerade bei wirklich schwierigen Hunden, wenn man positiv arbeiten will.

    Aber wichtig ist da die eigene Kompetenz, sonst kann und geht sowas sehr schnell in die Hose. Weil man zu Ideenlos ist Grenzen positiv zu setzen, weil auch ein ausschliesslich mit Bestärkung erzogener Hund braucht Linie, Regeln und Struktur.

    Bei mir fing Arbeit mt positiver Strafe da an, wo entweder ein klarer aktuell nicht diskutabler Cut notwendig war, weil das jetzt eine Sitaution ist, die man nicht aufftrainineren kann in der kürze der Zeit oder/und ich eben mit der eigenen Fantasie und Fähigkeiten an Grenzen komme dem Hund das zu vermitteln, was ich eigentlich von ihm will.

    Weil wenn man langfrisitg arbeitet, und das seh ich eben durch den Austausch mit anderen, kann man mit Geduld und Training wirklich fast alles rein positiv aufbauen.


    Ob das jetzt für jeden immer Erstrebenswert ist oder man das selbst so tun mag.

    Ich spreche niemanden irgendwelche Kopetenz ab nur weil er Straft. Es ist halt ein anderer Weg.

    Aber ja, ich bin überzeigt, dass wenn man es wirklich kann (und will) rein positiv arbeiten kann und einen unauffälligen Alltagsbegleiter erreichen kann.

    • Offizieller Beitrag

    Verstehe nicht so ganz deine Herleitung von Nein und Gewalt.

    Gewalt ist für mich körperlich oder psychische Schädigung und das ist ein Nein hoffentlich für niemand.

    Aber es ist auch kein positives Training sofern Nein klassisch als Ankündigung einer Negativen Handlung ist wenn der Hund es doch tut / nicht sein lässt.

    Antigiftködertraining mit NEIN du darfst das nicht essen was auf dem Boden liegt ist nicht positives Training aber noch lange kein Training mit Gewalt je nach dem was bei missachten von NEIN passiert. Dem Hund ein alternativverhalten antrainieren wie z.b. das Anzeigen von fressbaren und ihn dafür belohnen das ist positives Training da der Hund nicht mit verleitung gearbeitet wird sondern positives verhalten herausgearbeitet wird.

  • Kurz gefasst, die Grenzen liegen bei mir, sowohl in der Kompetenz als auch in der Menschlichkeit.

    Und da habe ich für mich den Weg von "möglichst nett aber auch immer Authentisch" gewählt. Bin ich sauer, müde und gefrustet, überspiele ich dies nicht und handle durchaus mal nach Bauchgefühl. Gehe ich gezielt an ein Training, kommt für mich nur positiv in Frage.

    Kann ich so unterschreiben, sieht bei uns genau so aus. Und seit ich viel mehr mit positiver Verstärkung und vor allem auch Clicker/Markerwort arbeite, hat sich die Bindung noch mal massiv verstärkt. Man merkt Milly richtig an, wie viel Freude ihr diese Art von Zusammenarbeit macht.:0herzsm0:

    Ich hab mich zum Beispiel letztens gefragt bei dem Thema Hund wird unruhig in der Nacht: Da kamen unter anderem Tipps wie ignorieren oder die Box schliessen. Ich persönlich würde das Verhalten im ersten Schritt auch ignorieren. Genau genommen ist das aber ja nicht positiv, weil ich das Bedürfnis des Hundes in diesem Moment ignoriere. Ich weiss nicht, wie ich das positiv trainiert angehen würde ... Ausser vielleicht mit einer Entspannungszone, ist aber natürlich die Frage, ob das hilft, wenn der Hund in dieser Situation einfach Aufmerksamkeit möchte.

    • Offizieller Beitrag

    Da ist die andere Frage ob es trainiert werden muss oder dem Hund einfach einen neuen Rahmen gegeben werden.

    Ist es ein Bedürfnis vom Hund um 4 Uhr beschäftigt zu werden oder nimmt er einfach das Angebot an und weiss wie er es auslösen kann.

    Die frage ist hier auch ob der Hund stress hat und schon ein Alternativverhalten kennt. Kennt er keines, wie z.b. selbständig was zu spielen zu suchen oder sich irgendwo hin zu legen, dann ist es für den Hund unfair ihn alleine zu belassen und einfach zu ignorieren. Kennt der Hund aber alternativen statt das ganze Haus zu wecken, darf man durchaus die eigenen Bedürfnisse dem Hund klar machen und ihn auch mal ignorieren.

    Ob es rein positiv trainiert ist, weiss ich ehrlich gesagt nun nicht, vermutlich nein. Aber für mich durchaus im sehr hellgrauen Bereich von Menschlich/Vernünftig.

    Positives Trainieren heisst (für mich) nicht, seine eigenen Bedürfnisse aus dem Raum zu nehmen und nur diese vom Hund zu beachten. Eigentlich ist es eher sehr einnehmend und dem Hund viel Rahmen stecken und so gesehen nicht zwingend rein nach Bedürfnis orientiert sondern nach "so nett wie möglich und fair wie möglich in unserem Alltag zu integrieren". Sonst wäre ein Bedürfnisbelohnend nicht mehr möglich da alle gestillt sind..

  • Magi

    Zitat

    Verstehe nicht so ganz deine Herleitung von Nein und Gewalt.

    weil vor einiger Zeit ich Leute gekannt habe, die positiv Arbeiten und mir klar gemacht haben das ein Nein in der positiven Arbeit gewalt ist und darum interessiert es mich ob es heute auch noch so gesehen wird.

    Denn meiner Meinung nach gibts doch immer wieder Situationen, wo man doch ein Nein einsetzten muss und es kommt doch nicht auf das Wort drauf an sondern auf die Tonlage und die Körpersprache.

    Beispiel: Wenn Charly (Freilaufend) an einer Stelle in den Bach will, wo ich nicht will das er rein geht. Da schaut er mich an und ich sage dann mit Kopfschütteln " mmmm, mmmm nei" und dann geht er nicht sondern er geht den Weg weiter.

    Was ist das jetzt positiv gearbeitet oder negativ gearbeitet?

  • Ich finde positive Bestärkung super. Aber... wir und damit unser Hund leben in einer immer beengenderen Gemeinschaft. Wir - und damit meine ich Mensch und Hund - müssen unseren Lebensraum nicht nur mit anderen Menschen und evt. Hunden teilen, sondern mit Autos, Velofahrern, Skatern, Trottinettfahrern, Joggern, Reitern und noch vielen mehr... leider gibt es sehr viele und scheinbar immer mehr dieser Leute, die null Rücksicht auf andere und schon gar nicht auf Hunde nehmen :rolleyes: Wollen wir unseren Hund gesund und unfallfrei durch all diese Leute führen, dann muss er zuverlässig hören, auch wenn er einen spannenden Vogel sieht, einen anderen Hund, eine Katze oder was auch immer ihn super interessiert... Ausserdem ist mir sehr wichtig, dass mein Hund weder andere Leute noch Tiere (inkl. Wildtiere) belästigt oder gefährdet!

    So und nun kann ich also leider nicht nur mit positiver Bestärkung arbeiten. Je nach Hund kann ich ihn z.B. davon ablenken, dass er anderen Hunden nachrennt oder Leute anspringt oder dass er jagt. Wenn das gelingt, toll. Aber das gelingt bestimmt nicht bei jedem...

    Lady hat früher leidenschaftlich draussen Katzen gejagt oder sagen wir, verjagt. Sie stellte sich dann taub :cursing: Und das konnte und wollte ich nicht ignorieren. Positiv bestärken konnte ich nichts, sie liess es leider nie bleiben... Ablenken null Chance. Da konnte ich Futter schmeissen oder mich selbst zu Boden, kein Interesse, die Katze war spannender... also hab ich die klirrenden Scheiben in die Gegend geworfen (nicht auf Lady!). Das war ein Schreckensreiz, Lady blieb kurz stehen, bekam ein Superlob, die Katze war ausser Sicht und Lady kam zurück, wurde mit vielen Gudies belohnt und so war der erste positive Schritt gemacht. Aber nicht mit positiver Bestärkung...

    Auch hat Lady im ersten Sommer draussen im Garten alles angebellt, was sich bewegte 8| Auf mein Nein reagierte sie nicht :( Also hab ich sie nach dem 1. Nein ohne Reaktion geschnappt, ins Haus verfrachtet, sie musste drin bleiben, ich ging wieder in den Garten. Nach 5 Minuten durfte sie wieder raus... den ganzen Nachmittag dieses "Spiel", nur dass sie immer länger im Haus bleiben musste, wenn sie wieder rumgekläfft hatte... Es kostete mich zwei Nachmittage Konsequenz, dann war Ruhe. Ist aber auch keine positive Bestärkung :D Für mich ist das logische Konsequenz...

    Es gibt noch viele solcher Beispiele. Kurzum, wo immer möglich finde ich positive Bestärkung das beste Mittel. Aber meiner Meinung nach geht es nicht immer.

  • Also ich konzentriere mich im Zusammenleben mit Cuba auf einen positiven (fröhlichen) Umgang mit fair gesetzten Grenzen und Orientierungshilfen. Dabei achte ich zuerst einmal darauf, dass Ihre Bedürfnisse nach geistiger / körperlicher Auslastung, Sozialkontakten und Sicherheit gedeckt sind. Betreffend "Erziehung" konzentriere ich mich weniger auf Kontrolle und Kommandos, sondern fördere ihre Kreativität und ihr Selbstvertrauen. In schwierigen Situationen gebe ich ihr Zeit, sich damit auseinanderzusetzen und eine andere Strategie zu finden. Natürlich gibt es auch mal ein "Nein" oder ich bin gereizter als nötig (wir sind ja schliesslich alle Menschen ;)).

    Früher bin ich mit ihr in die Hundeschule. Ich dachte, ein Schäferhund müsse sportlich geführt werden:saint:. Sie beherrschte die Kommandos usw. perfekt - ein richtiger Streber. Aber mit herausfordernden (Alltags)Situationen kam sie schlecht zurecht und vergass ihre vermeintlich guten Manieren. Hier kam ich mit Kontrolle und Befehlen null weiter.

    Ich glaube auch, dass wir Menschen öfter mal auf unser Bauchgefühl hören und uns nicht zu sehr auf irgendwelche Begriffe aus der Hundeerziehung konzentrieren sollten. Die find ich gut und recht als Orientierung und fürs grobe Verständnis, sie können die ganze Sache aber auch unnötig verkomplizieren.

    Der Hund braucht sein Hundeleben. Er will zwar keine Flöhe haben, aber die Möglichkeit sie zu bekommen.

     (Robert Lembke)

  • Ist ein scharfes Nein auch schon Gewalt in der positiven Arbeit?

    Ein Nein ist für den Hund in erster Linie ein Kommando. Das kann man wie fast jedes Kommando über Verstärkung oder Strafe aufbauen.

    Wenn ein Abbruchsignal, also Nein, über Strafe aufgebaut wurde und der Hund die aktuelle Handlung abbricht weil er die Konsequenzen "fürchtet" die es gibt sollte er nicht aufhören ist es Gewalt.

    Wenn das Abbruchsignal positiv aufgebaut wurde und der Hund sich auf das freut was nach dem Signal kommt und darum das aktuelle verhalten abbricht ist es keine Gewalt.

    Gewalt im Training fängt für mich da an wo der Hund ins Meiden kommt und eine Meidemotivation aufgebaut wird. Also da wo der Hund ein Verhalten lässt weil er die Konsequenzen fürchtet.

  • Naja bei der definition von Gewalt wird man sich nie einig werden. Meideverhalten gehört zum völlig normalen Verhaltensrepertoir eines Lebewesens ... ich denk die Grenzen der rein auf positiver Verstärkung basierten Erziehung sind schlicht in der Individualität der Hunde und auch ihrer Menschen und den Lebensumständen gegeben. Ich bezweifle nicht dass es Hunde gibt die vorwiegend so geführt werden können (negative Bestrafung kann man kaum verhindern) , aber ich bezweifle dass das bei allen Hunden geht und die „schuld“ dass es nicht klappt immer nur am Menschen liegt.

    Grüsse Nathalie mit

    Tarek, Tervueren, 12.11.2014

    Unique, Malinois, 18.05.2018

    Amaruq, Malinois, 15. 05. 2021
    Und Whyona im Herzen 20.06.2002 - 03.04.2017

  • Zitat

    Wenn ein Abbruchsignal, also Nein, über Strafe aufgebaut wurde und der Hund die aktuelle Handlung abbricht weil er die Konsequenzen "fürchtet" die es gibt sollte er nicht aufhören ist es Gewalt.

    Also wenn ich das richtig verstehe ist, wenn ich ein Nein aufbaue in dem ich den Hund hole wenn er nicht auf das Nein hört und in grad an die Leine nehme (das ist die Strafe) ist das Gewalt?

  • Ganz ehrlich, ich glaube das rein belohnende Arbeit schlicht und einfach unmöglich ist - aber dass es auch nicht nötig ist. Jeder Aufbau von Frusttoleranz beispielsweise muss zumindest Phasenweise über "Bestrafung" gehen (meist über negative Bestrafung - Hund kommt nicht zu etwas für ihn Positives hin) - anders entsteht ja gar kein Frust, der den Hund zu tolerieren und die Belohnung hinauszuzögern lernt. Und zu lernen mit einer akzeptablen Menge an Frust und Stress und Konflikt umzugehen, ist doch eine ganz wichtige Fähigkeit für Hunde (und uns Menschen genauso).

    Wenn man lerntheoretisch sehr genau wird, muss man die Verhaltensketten auseinander nehmen und da sind dann immer auch für kurze Momente zumindest negative Bestrafung, gelegentlich aber auch positive Bestrafung, drin.

    Also nochmals kurz als Basis:

    positive Belohnung = Belohnung wird dazugegeben (z.B. Leckerli, Spiel,...)

    negative Belohnung = etwas Unangenehmes wird weggenommen (z.B. wenn Leine gelockert wird, geht unangenehmer Druck weg...)

    positive Bestrafung = Strafe wird aktiv gegeben (z.B. scharfes Nein, Leinenruck, Rasselbüchse,...)

    negative Bestrafung = etwas positives wird weggenommen (z.B. ignorieren = Aufmerksamkeit wegnehmen, Kauartikel wegnehmen...)

    Bei der Frusttoleranz zum Beispiel hab ich vielleicht so ein Ablauf beim Welpe.

    - Futter ist in meiner geschlossenen Hand, Hund riecht es, schleckt an meiner Hand rum, kommt nicht ran = negative Bestrafung, Hund bekommt Leckerli nicht - kurzfristige Konsequenz ist negativ = Frust

    - Hund versucht neues Verhalten, setzt sich z.B. hin und schaut mich an = wird positiv als auch negativ belohnt (positiv = bekommt Leckerli, negativ = Frust baut sich ab), Konsequenz ist positives Gefühl

    = hier beende ich die Übung, Welpe geht mit positivem Gefühl raus = Ziel erreicht

    Oder gerade eben:

    - Namika ist fertig mit ihrem Kauartikel und kommt mich beim Schreiben "nerven" - sie bekommt ihr Timeout-Signal, will aber trotzdem nicht hören und auch meinen Stuhl klettern, ich schiebe sie mit der Hand an der Brust runter (= positive Bestrafung), sage nochmals ruhig das Timeout und halte den Fuss so, dass sie nicht nochmals hochklettern kann (= negative Bestrafung, sie kommt nicht zu mir hin)

    - innert 2 Sekunden versteht sie, geht auf ihren Platz, legt sich hin und schläft innert Sekunden (= negative Belohnung, unangenehme Reaktion von mir fällt weg.) und automatische positive Belohnung (=Entspannung)

    --> die automatische positive Belohnung kommt natürlich nur, weil sie das Alternativverhalten gut kennt. Würde sie das nicht kennen, wäre mein 1. Schritt der gleiche, der 2.Schritt wäre aber, dass ich ihr eine Anleitung gebe, was den gewünscht wäre (sie z.B. zum platz bringe und da etwas streichle,...), damit ich mit einem positiven Gefühl beenden kann

    Schlussendlich können wir gar nicht so arbeiten, dass wir nur Belohnung nutzen. Das wichtige ist für mich, dass die mittel- und langfristigen Konsequenzen für den Hund mehrheitlich positiv sind, dass kurzfristig auch mal unangenehme Konsequenzen entstehen finde ich nicht verhinderbar (und in der Verhaltenstheorie ist da mit kurzfristig wirklich ein paar Sekunden bis höchstens Minuten gemeint). Und da seh ich halt den Punkt, dass dem Hund nach der Korrektur mittel positiver oder negativer Bestrafung ein belohnendes Alternativverhalten gezeigt werden muss, zumindest so lange, wie er es noch nicht selbst kann.

    Wie stark die Bestrafung ist, ist für mich Mensch und Hund abhängig - für den einen Hund ist vielleicht ein strengeres Nein schon gleich stark in der kurzfristigen emotionalen Konsequenz wie für den anderen eine Rasselbüchse. Deshalb finde ich da Verallgemeinerungen schwierig. Solange die Konsequenz kurz und in ihrer emotionalen Heftigkeit für den individuellen Hund adäquat ist und danach relativ schnell wieder eine angenehme Stimmung mit dem Hund aufgebaut wird, finde ich es okay.

    Da ist für mich auch die Grenze zu Gewalt. Gewalt ist es für mich dann, wenn die körperliche oder physische Integrität des Hundes überschritten wird - also z.B. Schmerzen zufügen, oder über lange Zeit ignorieren, oder eine nachhaltige Verunsicherung herbeiführen. Wenn z.B. der Hund ab der Rasselbüchse so sehr erschreckt, dass er danach für eine Weile ganz verunsichert und ängstlich ist und ich weiss das und wende es trotzdem wieder an, dann ist das für mich Gewalt. Zuckt der Hund ab der Rasselbüchse kurz zusammen, wendet sich zum Halter um, wird da dafür gelobt und geht dann völlig entspannt und freudig einer anderen Beschäftigung nach, dann finde ich das keine Gewalt.

  • Grundsätzlich arbeite ich auch mit positiver Verstärkung. Ein Nein ist für mich absolut keine Gewalt. Denn, wenn es in diese Richtung geht, sind wir bald soweit, wie manche Eltern in der Kindererziehung.

    Beispiel: bei uns ist der Rasen frisch angesäht. Es hat ein Plattenweg. Die Hunde sollen dort laufen, da sie sonst den frisch angesähten Rasen beschädigen könnten. Das wissen sie nicht. Sie trampen in den Rasen. Ich sage "nein, hier darfst du laufen" und zeige dem Hund den Weg. Es funktioniert fast immer.

    Wenn ich meine Hunde rufe, erwarte ich, dass sie kommen. Dabei unterscheide ich nach Wichtigkeit. Kommt eine Gefahr oder Ähnliches, rufe ich energisch "Fuss". Die Hunde reagieren schon automatisch, wenn sie die Gefahr erkennen oder wenn ein anderer Hund kommt.

    Wenn sie einfach am Schnüffeln sind und ich gehen will, rufe ich anders. Da dürfen sie auch erst nach 2,3x Rufen kommen.

    Ich bestätige fast alles immer positiv. Ich werde auch regelmässig angesprochen, dass meine Hunde so gut gehorchen, ich dabei mit normaler, sanfter Stimme rede.

    Im Leben ist nicht immer alles schön und positiv. Wenn ich zu schnell fahre und erwischt werde, werde ich bestraft (Busse oder gar Strafverfahren).